Entwicklung physikalisch – chemischer Modelle zur detaillierten Beschreibung von Zündprozessen

Seit einigen Jahrzehnten wird bereits auf dem Gebiet von Zündprozessen geforscht. Dabei liegt das Hauptaugenmerk darauf die Zündung eines Kraftstoff-Luft-Gemischs sicher zu stellen. Aufgrund ihrer überragenden technischen und wirtschaftlichen Bedeutung werden dabei vorwiegend Zündvorgänge und Zündquellen untersucht, die in verbrennungsbasierten Anwendungen wie z.B. Verbrennungsmotoren eingesetzt werden. Trotz oder gerade aufgrund der Konzentration dieser Forschungen auf das Erreichen und den Erhalt von Zündprozessen bleiben viele Forschungsfragen im Bereich der Sicherheitstechnik unbeantwortet.  Sicherheitstechnisch relevante Zündprozesse treten im Gegensatz zu Zündprozessen in technischen Anwendungen sehr selten auf, haben aber im Falle eines Auftretens oftmals verheerende Auswirkungen. Diese Zündprozesse gilt es unbedingt zu vermeiden. Aus diesem Grund wurde eine Forschergruppe gegründet, in der das ITT in Kooperation mit weiteren Instituten am KIT sowie der Universität Magdeburg und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig Zündvorgänge unter sicherheitstechnischen Aspekten untersucht. Dazu wir ein mathematisches Modell entwickelt, das unterschiedliche Zündprozesse in turbulenten Umgebungen darstellen kann und durch Experimente innerhalb der Forschergruppe validiert wird. Untersucht werden Selbstzündung, Zündung in turbulenten Strömungsfeldern und Fremdzündung durch mechanische Funken (Späne etc.), elektrische Entladung und heiße (Abgas-) Freistrahlen. Das ITT beschäftigt sich derzeit mit der Entwicklung mathematischer Modelle für die Fremdzündung durch heiße Partikel und heißer Freistrahlen.

Zündprozesse werden durch ein starkes Zusammenspiel der Kinetik von chemischen Reaktionen, molekularem Transport und dem Strömungsfeld bestimmt. Für die verlässliche Berechnung solcher Zündvorgänge sind aufwändige mathematische Modelle notwendig, die die vielfältigen Prozesse beschreiben. Dazu werden zunächst Modelle zur Beschreibung von Zündprozessen entkoppelt von Strömungsfeldern betrachtet. Eine weitere Vereinfachung stellt die Betrachtung von ein-dimensionalen bzw. maximal zwei-dimensionalen Systemen dar. In einem weiteren Schritt erfolgt dann die Kopplung der Zündmodelle mit Modellen zur Beschreibung von komplexen Strömungsfeldern. Letztendlich erfolgt dann der Übergang der detaillierten Betrachtung von Zündprozessen in H2 Systemen zu Systemen mit realistischen Kraftstoffkomponenten wie z.B. Diethylether und damit der Übergang zu chemischen komplexeren Systemen.

Zündung durch mechanische Funken

Die Hauptursache mechanischer Funken stellen heiße Metallpartikel dar, die während mechanischen Metallbearbeitungsverfahren wie Bohren, Drehen, Fräsen aber auch Umformverfahren entstehen. Mechanische Funken können als kleine glühende Partikel beschrieben werden, die zusätzlich von einer reaktiven Hülle umgeben sein können. Für die Auswertung sicherheitsrelevanter Studien spielen mechanische Funken in zündfähigen Umgebungen eine wichtige Rolle. Ein solches Partikel ist in Bild 1 dargestellt. Für die Bewertung des Zündpotentials solcher Funken müssen die Funkeneigenschaften Größe und Temperatur, sowie die Materialzusammensetzung des Funkens und die Zusammensetzung der reaktiven Umgebung berücksichtigt werden. Zusätzlich muss berücksichtigt werden, dass die heißen Partikel durch Wärmeleitung und –strahlung Energie an die Umgebung dissipieren. Diesem Effekt wird ein großer Einfluss zugesprochen, da das große Verhältnis von Oberfläche zu Volumen der Partikel durch die schnelle Dissipation Zündprozesse bei Temperaturen unterhalb der Selbstzündungstemperaturen bedingen. Ein weiterer Faktor sind austretende Metalldämpfe, die mit der reaktiven Umgebung wechselwirken und dabei chemische und physikalische Prozesse auslösen können und somit ein Zünden der Mischung erleichtern können.

 

 

Bild 1: Schematische Darstellung eines Zündprozesses eines einzelnen Metallpartikels in einer ruhenden, entflammbaren Gasmischung. 

Im Rahmen der Forschergruppe wird ein allgemeines numerisches Modell entwickelt, mit dem es möglich sein soll Zündprozesse von entflammbaren Umgebungen durch mechanische Funken zuverlässig vorhersagen zu können. In einem ersten Schritt erfolgt die detaillierte Untersuchung solcher Zündprozesse unter Berücksichtigung von detailliertem Wärme- und Massentransport im Partikel und der Gasphase, detaillierter Betrachtung von Wechselwirkungen zwischen Partikel und Umgebung, sowie detaillierter chemischer Reaktionskinetik in der Gasphase. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden für die Bereitstellung tabellierter Daten unterschiedlicher Zündszenarien für verschieden komplexe Materialen und reaktive Umgebungen genutzt. In einem weiteren Schritt erfolgt dann die Kopplung dieser Systeme mit turbulenten Umgebungen. Dazu werden die tabellierten Daten in ein am ITT entwickeltes PDF Modell eingebaut. Somit können Zündprozesse von mechanischen Funken in entflammbaren Gasmischungen unter turbulenten Strömungsbedingungen berechnet werden.

 

 Bild 2: Schematische Darstellung eines Zündszenarios durch einen heißen, reaktiven Freistrahl.

Zündung durch heiße (Abgas-) Freistrahlen

In diesem Teilprojekt wird das Verhalten eines heißen, reaktiven Freistrahls in eine entflammbare Umgebung untersucht. Bild 2 zeigt beispielhaft ein solches Szenario. Als Freistrahl wird die Strömung aus einer Öffnung, beispielsweise einem Leck oder einem Riss in einer Rohrleitung, in die freie Umgebung bezeichnet. Dabei hat der Freistrahl meist eine hohe Austrittsgeschwindigkeit, die Umgebung hingegen befindet sich in Ruhe. Durch den Geschwindigkeitsunterschied entsteht eine Scherschicht, wodurch der Freistrahl kurz nach dem Austreten als voll turbulent ausgebildet anzusehen ist. Entlang der Strömungsrichtung vermischt sich der Freistrahl zunehmend mit dem Gas der Umgebung. Durch diese Zumischung entsteht ein entflammbares Gasgemisch, das unter bestimmten, zu untersuchenden Bedingungen zündet. Dazu erfolgt zunächst eine lokale, ein-dimensionale, von dem turbulenten Strömungsfeld entkoppelte Betrachtung in radialer Richtung. Anhand dieses einfachen Modells wird eine Parameterstudie durchgeführt, in der der Einfluss der Freistrahltemperatur und -zusammensetzung, Zusammensetzung der entflammbaren Umgebung, Breite des heißen Abgases in radialer Richtung und der Streckungsrate berücksichtigt werden.  In Bild 3 ist beispielhaft eine Zündkarte für ein Knallgas – Luft System dargestellt aus der die zur Zündung minimal notwendige Breite des Freistrahles in Abhängigkeit des tangentialen Druckgradienten (proportional zu Streckungsrate) und der Abgastemperatur abgelesen werden kann. Mit Hilfe lokaler Zündkarten erfolgt die Kopplung chemischer Reaktionen und turbulenter Mischungsprozesse in einem am ITT entwickelten hybriden PDF-Verfahren. In Experimenten ermittelte Daten werden mit Ergebnissen der Modellrechnungen verglichen. Dies dient der Validierung des Rechenmodells.

 

Bild 3: Karte mit Zündgrenzen anhand der Mindestbreite des Abgasstrahls in Abhängigkeit des tangentialen Druckgradienten (proportional zu Streckungsrate) und der Abgastemperatur und –zusammensetzung im H2 – Luft System.

 

 

Wissenschaftlicher Mitarbeiter:

 

 Dipl.-Ing. Simon Fischer
 M.Sc. Pratyush Sharma