Von Elementarreaktionen zum technischen Verbrennungssystem

Die Verbrennung repräsentiert wie kaum eine andere Technologie den Nutzen und zugleich die Gefahren, die sich der Mensch mit einer hoch technologisierten Welt geschaffen hat.

Während sie durch ihre mannigfachen Nutzanwendungen in Verkehr, Transport und Energieversorgung zu einer Grundlage unserer Kultur geworden ist, sind ihre Nebeneffekte wie die Schädigung der Biosphäre durch Luftschadstoffe heute deutlich spürbar. Ist eine Nutzung der Verbrennung ohne ihre negativen Auswirkungen möglich, und wie lässt sie sich in großem Maßstab realisieren? Während die Beziehung des Menschen zur Verbrennung über eine Million Jahre lang ausschließlich in ihrer Nutzung bestand, ist im letzten Jahrhundert ihre systematische Erforschung als entscheidender Aspekt hinzugekommen. Diese ist das Arbeitsgebiet des Instituts für Technische Thermodynamik.

 

Physikalisch-chemische Grundlagen

Verbrennung ist eine typischerweise unter starker Wärmeentwicklung ablaufende chemische Reaktion, bei der Kraftstoff und Oxidator in Produkte umgewandelt werden. Ein „prominentes“ Beispiel für eine solche Reaktion stellt die Oxidation von Methan (CH4) dar:

 

CH4 + 2 O2     → CO2 + 2 H2O  .

Bei der Reaktion wird chemische Energie in thermische Energie umgewandelt, so dass das Abgas (bei gleicher Gesamtenergie) eine viel höhere Temperatur aufweist als die Ausgangsstoffe. Die resultierende hohe Temperaturdifferenz zur Umgebung kann genutzt werden, um technisch wichtige Prozesse ablaufen zu lassen.

Diese stark vereinfachte Darstellung der Verbrennung zeigt schon einige sehr wesentliche Aspekte auf: Es wird ein Brennstoff benötigt (hier repräsentiert durch CH4), also eine Substanz, die viel Energie in ihren Molekülen speichert. Solche Stoffe sind, wie an den Kraftstoffpreisen deutlich spürbar wird, nicht in beliebiger Menge verfügbar. Ebenso wird Sauerstoff verbraucht, der zwar in der Luft „umsonst“ verfügbar, aber prinzipiell ebenso begrenzt und als Lebensgrundlage enorm kostbar ist. Neben der erwünschten Wärme entstehen auch „Abfallprodukte“ (Edukte, Abgas) die meist nutzlos und bisweilen schädlich sind, wie hier das Treibhausgas CO2.

Interessanterweise läuft in der Natur ein Prozess ab, der in gewisser Weise die Umkehrung der obigen Verbrennungsreaktion darstellt, nämlich die Photosynthese der Pflanzen: Aus CO2 und H2O werden unter Nutzung von Sonnenlicht wieder sehr energiehaltige Stoffe, die als Brennstoffe genutzt werden können, aufgebaut. Im Prinzip können die beiden Prozesse „Verbrennung“ und „Photosynthese“ also einen geschlossenen Kreislauf bilden, auf dessen Grundlage eine dauerhafte, ökologisch verträgliche und ökonomisch sinnvolle Nutzung der Verbrennung denkbar ist.

Leider ist dieses einfache Modell aber bei weitem zu ungenau. Eines der größten Probleme der Verbrennung etwa, nämlich die Bildung von Schadstoffen wie Kohlenmonoxid (CO) und den bei Verbrennung mit Luft anfallenden Stickoxiden wie NO und NO2 tritt in dieser Beschreibung überhaupt nicht auf, ebenso wenig wie die Bildung von Ruß und die bekannten Probleme der unvollständigen Verbrennung mit ihrer Emission unverbrannter Kohlenwasserstoffe. Ein Schlüssel zum Verständnis dieser Probleme liegt in der detaillierten Behandlung der chemischen Reaktionen bei einem Verbrennungsprozess.

 

Chemische Elementarkinetik – ein entscheidendes Detail

Die oben angeführte Methan-Verbrennung läuft in Wirklichkeit nicht in einem Schritt ab, sondern als Abfolge vieler hundert Elementarreaktionen, an denen eine Vielzahl (typischerweise einige hundert oder tausend) chemischer Spezies beteiligt ist. Ein kleiner Ausschnitt aus dem Reaktionsschema für Methan/Luft ist in Abbildung 1 links gezeigt: Ausgehend vom Kraftstoff Methan entstehen in vielen Elementarreaktionen zahlreiche chemische Spezies, die wiederum miteinander reagieren können. Die Hauptprodukte der Verbrennung, CO2 und H2O (letzteres ist im Schema nicht gezeigt), stehen unten in dieser Kette.

Als entscheidendes Detail ist aus Abbildung 1 ersichtlich, dass vor allem chemische Spezies wie OH, H und O sehr oft in der Reaktionskette auftreten und daher eine wichtige Rolle spielen. Diese Stoffe sind Radikale, also Moleküle mit ungepaarten Elektronen, die deshalb sehr reaktiv sind. Gerade diese für den Reaktionsablauf eminent wichtigen Stoffe sind bei der Verbrennung meist nur in verschwindend geringen Konzentrationen vorhanden. Analysen des Reaktionsschemas zeigen, dass vor allem Schritte wie

 

H + O2  → OH + O   ,

 

bei denen aus einem Radikal und einem „stabilen“ Molekül zwei Radikale gebildet werden, für den weiteren Fortschritt der Verbrennungsreaktionen sehr wichtig sind.

Ein Ansatz zur Beschreibung der Verbrennung ist, sie als Abfolge chemischer Reaktionen in einem räumlich homogenen System zu betrachten. Mathematisch wird dieses Modell des homogenen chemischen Reaktors durch ein System von gewöhnlichen Differentialgleichungen beschrieben, das die zeitliche Rate der Bildung oder des Verbrauchs jeder einzelnen chemischen Spezies beschreibt. Da die zahlreichen chemischen Spezies in vielfacher Weise miteinander reagieren (Abbildung 1, links), hängt die Bildungs- oder Verbrauchsgeschwindigkeit einer Spezies in sehr komplizierter Weise von den Konzentrationen aller Spezies ab. Daher müssen die Gleichungen gewöhnlich durch numerische Verfahren auf Computern gelöst werden.

In Abbildung 1 rechts ist beispielhaft die berechnete zeitliche Entwicklung der Temperatur und der Konzentrationen einiger chemischer Spezies bei der Zündung einer Methan/Luft-Mischung gezeigt. Das Auftreten zweier „prominenter“ Schadstoffe, CO und NO  wird in der Simulation richtig vorhergesagt. Ebenso wird richtig wiedergegeben, dass bei der Reaktion der Sauerstoff nicht vollständig verbraucht wird. Schließlich findet die Umwandlung von Edukten zu Produkten nicht instantan statt, sondern benötigt eine gewisse Zeit, die in der Realität als sogenannte Zündverzugszeit tatsächlich beobachtet wird. Am Ende befindet sich das Gasgemisch im chemischen Gleichgewicht (Abgas), das keineswegs nur CO2 und H2O als Produkte aufweist, sondern eben auch Stoffe wie CO und NO. Man beachte auch, dass OH nur in sehr geringen Konzentrationen auftritt, aber dennoch eine Schlüsselspezies für den Reaktionsablauf ist. Man bemerkt auch, dass die zeitliche Änderung der Profile meist recht gering ist, mit Ausnahme des Zeitpunkts um etwa 0.3773 s, wo sich alle Größen fast sprungartig ändern. Dieses Verhalten ist ebenfalls ein wichtiges Charakteristikum vieler Zünd- und Verbrennungsprozesse.

   
Kleiner Ausschnitt aus dem Reaktionsfluss-Schema bei der Verbrennung von Methan. Die Dicke der Pfeile repräsentiert den Anteil eines Reaktionsschritts am gesamten Verbrauch bzw. Bildung eines Stoffes. Numerisch berechnetes räumlich homogenes Methan-Luft-Gemisch bei einem Druck von 7 bar und einer Anfangstemperatur von 900 K, dargestellt als zeitliche Entwicklung der Konzentrationen verschiedener Spezies und der Temperatur. Man beachte die logarithmische Skala auf den Ordinaten.

 

Die Modellierung der Verbrennung als homogenes Reaktionssystem, dessen Verhalten ausschließlich von chemischen Reaktionen bestimmt wird, liefert also bereits wichtige Informationen. Eine genauere Analyse zeigt jedoch, dass die Berücksichtigung der chemischen Kinetik alleine noch nicht für ein vollständiges Bild der Verbrennung ausreicht. Dies liegt an der örtlichen Inhomogenität der meisten in der Natur und Technik auftretenden Verbrennungsprozesse, die stark dissipative Prozesse (Wärmeleitung, Diffusion) bewirkt. Für eine vollständige Beschreibung fehlt daher noch die Wechselwirkung zwischen chemischen Reaktionen und physikalischen Prozessen (Transportphänomene).

 

 

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