Chemie der Verbrennung

Bereits bei der Verbrennung kleiner Kohlenwasserstoffe liegen der chemischen Kinetik Reaktionsmechanismen von großem Umfang zugrunde.

So besteht zum Beispiel bereits der Reaktionsmechanismus für die Verbrennung von Methan aus 34 verschiedenen chemischen Spezies, die in 302 Elementarreaktionen miteinander reagieren. Betrachtet man die Verbrennung komplexer Kohlenwasserstoffe, so kann sich die Anzahl der chemischen Spezies auf mehrere hundert, die Anzahl der Elementarreaktionen auf mehrere tausend belaufen.

Eine genaue Kenntnis dieser detaillierten Reaktionsmechanismen ist von großer Bedeutung, um kinetisch kontrollierte Prozesse, wie Schadstoffbildung, Zündung und Flammenlöschung korrekt beschreiben zu können. Insbesondere der Entwicklung von Niedertemperaturkinetiken (T< 1000 K) kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da diese im Gegensatz zu Hochtemperaturkinetiken noch weniger erforscht sind, aber für das Verständnis von Selbstzündungsvorgängen (z.B. Motorklopfen) große Bedeutung haben. Am ITT werden solche detaillierte Reaktionsmechanismen untersucht.
Als experimentelle Ausstattung steht hierzu eine Rapid Compression Machine (RCM) zur Verfügung.

Mit Hilfe des Programms KUCRS (Knowledge-basing Utilities for Complex Reaction Systems (http://www.frad.t.u-tokyo.ac.jp/~miyoshi/KUCRS/, 2005) können detaillierte Reaktionsmechanismen für verschiedene Kraftstoffe entwickelt werden. Mit Hilfe von Sensitivitätsanalysen und Reaktionsflussanalysen lassen sich die geschwindigkeitsbestimmenden Reaktionen dieser Mechanismen identifizieren. Diese Reaktionen können dann genauer untersucht und die entsprechenden Reaktionsparameter angepasst werden.
Ein Vergleich der Zündverzugszeiten oder der Konzentrationsverläufe einzelner Spezies welche aus numerischen Simulationen mit Hilfe der detaillierten Reaktionsmechanismen und experimentellen Untersuchungen in der RCM erhalten werden, helfen bei der Validieren der Reaktionsmechanismen.

Die Verwendung detaillierter Reaktionsmechanismen mit ihrer hohen Zahl an Spezies und Elementarreaktionen ist bei Simulationen räumlich homogener Reaktionssysteme heute leicht möglich. Werden jedoch reale, dreidimensionale, turbulente Strömungen betrachtet, in denen große Fluktuationen von Temperatur und Konzentration auftreten (als Beispiele seien Strömungen in Motoren und Gasturbinen genannt), so entsteht bei Verwendung detaillierter Reaktionsmechanismen ein großer, nur schwer bzw. nicht zu bewältigender Rechenzeitaufwand. Dazu trägt die komplexe Wechselwirkung zwischen chemischen und physikalischen Prozessen bei der Verbrennung bei, aber auch die Eigenschaften der für die Chemie zu lösenden Gleichungen, wie große Dimension (eine Erhaltungsgleichung für jede Spezies) und hohe Steifheit. Dies führt zu einem großen Interesse an vereinfachten Reaktionsmechanismen, die die chemische Dynamik des Systems in Abhängigkeit nur weniger Variabler beschreiben.

Eine Methode zur Berechnung solcher reduzierter Mechanismen ist die Methode der Intrinsischen Niedrigdimensionalen Mannigfaltigkeiten (Intrinsic Low-Dimensional Manifolds = ILDM). Hierbei wird ausgenutzt, dass sich die Dynamik des chemischen Systems mit zunehmender Zeit auf Räume immer kleiner werdender Dimension beschränkt. Hat das System einmal einen derartigen Raum bestimmter Dimension erreicht, so wird dieser Raum nicht mehr verlassen; man spricht daher auch von einer attraktiven Mannigfaltigkeit.

Die nachstehende Abbildung zeigt schematisch diesen Prozess der Relaxation auf niedrigdimensionale Räume. Die blauen Pfeile stehen für schnelle Prozesse, die zunächst auf eine zweidimensionale ILDM (rotes Gitter) relaxieren. Die verbleibenden langsamen Prozesse (schwarze Linien) bewegen sich entlang der 2d-ILDM und bündeln sich schließlich auf einer Linie, einer eindimensionalen ILDM. Diese führt letztendlich ins chemische Gleichgewicht (grün), das einer nulldimensionalen ILDM entspricht.

 

Abbildung 1: Darstellung der Relaxation schneller Prozesse auf eine 2d-ILDM (rotes Gitter), der Bewegung auf der 2d-ILDM und des Übergangs auf eine 1d-ILDM (schwarze Trajektorien) und des chemischen Gleichgewichts (grün).

 

 

 

Die ILDM-Methode ist mit Hilfe einer Eigenvektoranalyse der Jacobimatrix der chemischen Quellterme in der Lage, die niedrigdimensionalen Räume unter-schiedlicher Dimension zu bestimmen. Am ITT steht ein entsprechender Programmcode zur Verfügung, der ebenso wie die grundlegende Methodik der ILDM-Methode Gegenstand ständiger Weiterentwicklung ist.

Ebenfalls eine Methode zur Reduzierung chemischer Reaktionen ist die REDIM-Methode. Diese Methode stellt die nächste Generation der ILDM-Technik dar, behebt Probleme bei der Definition und der Anwendung der reduzierten Modelle und beinhaltet nicht nur den Einfluss von reaktiven Prozessen, sondern auch den Einfluss von Transportprozessen. Dies macht die Methode stabiler und aussagekräftiger im Vergleich zu den Methoden der Reduzierung, die entweder nur eine lokale Analyse des chemischen Quellterms verwenden oder auf eine numerische Analyse des detaillierten Systems zurückgreifen, um den sogenannten Skelett-Mechanismus zu identifizieren.

Schlüsselideen der REDIM Methode sind eine Dekomposition der Bewegungen und eine Relaxation auf eine langsame, invariante Mannigfaltigkeit. Der Relaxationsprozess wird durch ein mehrdimensionales, parabolisches System partieller Differentialgleichungen bestimmt, für dessen Lösung eine erweiterte ILDM als Startlösung verwendet wird. Die fertig relaxierte Mannigfaltigkeit erfüllt eine Invarianzbedingung, daher wird die Mannigfaltigkeit der reduzierten Systemdynamik genau reproduziert und folgt der stationären Lösung des detaillierten Systems. Die Methode verbessert die Leistung des ILDM-Konzeptes deutlich und erweitert es im Hinblick auf die Möglichkeit, das System auch in den Bereichen des Zustandsraumes (bei niedrigen Temperaturen) zu reduzieren, in denen Mannigfaltigkeiten, die lediglich auf der Analyse des chemischen Quellterms beruhen, nicht existieren. Ein Beispiel für eine REDIM zeigt die nachfolgende Abbildung.

 

Abbildung 2: Erweiterte 2d-ILDM (rotes / blaues Gitter), REDIM (grünes Gitter) und eine stationäre Lösung des detaillierten Systems.

 

 

 

Sowohl bei der ILDM- als auch bei der REDIM-Methode werden die berechneten Mannigfaltigkeiten vorgegebener Dimension in Tabellenform gespeichert und können dann einem CFD-Code als Bibliothek zur Verfügung gestellt werden. Der CFD-Code greift bei der Strömungsrechnung dann nicht mehr auf einen detaillierten Reaktionsmechanismus zurück und löst Gleichungen für alle darin vorkommenden Spezies, sondern er löst nur noch wenige Erhaltungsgleichungen für die Tabellierungskoordinaten der ILDM und interpoliert anschließend die Spezieswerte aus der hinterlegten Tabelle

 
 

 

 

Wissenschaftlicher Mitarbeiter:

Dr. Viatcheslav Bykov

Dipl.-Ing. Alexander Neagos