Grundlagenexperimente zur Modellentwicklung

Eine beispielhafte Grundlagenuntersuchung für die Modellentwicklung stellt die Vermessung von Verbrennungsprozessen mit Hilfe der laserinduzierten Raman-Streuung dar.

Hierbei wird in das zu untersuchende System (am Institut für Technische Therodynamik ist dies zum Beispiel eine turbulente Erdgas/Luft-Flamme im halbtechnischen Maßstab) ein Laserpuls mit einer Dauer etwa 100 Nanosekunden eingestrahlt. Durch den Raman-Effekt entsteht dabei ein Streulichtsignal, das von der Laserstrahlachse weggestreut wird und so außerhalb der Flamme detektiert werden kann.

Dieses Raman-Streulicht hat einige für die Messung überaus wertvolle Eigenschaften: Seine Wellenlänge ist spezifisch für die Art des Moleküls, das die Streuung verursacht hat. Die in der Flamme befindlichen Gase können durch spektrale Zerlegung getrennt voneinander detektiert werden, so dass eine quantitativ genaue Vermessung von Spezieskonzentrationen möglich wird. Da das Signal aus dem Brennpunkt eines Lasers stammt, der durch geeignete Optiken sehr klein (Abmessungen wenige hundert Mikrometer) geformt werden kann, ist die Messung sehr gut ortsauflösend. Die Messung erfolgt in Mikrosekundenbruchteilen, so dass auch die Forderung nach guter Zeitauflösung hier in hohem Maß erfüllt ist.

Diesen Vorteilen stehen jedoch einige entscheidende Nachteile gegenüber, die direkt aus der äußerst geringen Signalstärke bei der Raman-Streuung resultieren und die Anwendbarkeit der Technik auf  wenige spezielle Ausnahmefälle einschränken. Die Anwendung der Methode erfordert sehr „saubere“ Bedingungen ohne Staub, Rußpartikel oder Kraftstofftröpfchen, sowie einen freien Zugang zum System ohne feste Umgrenzung z.B. durch Zylinder oder Brennkammerwände. Die Technik ist nur mit enormen technischen und finanziellen Aufwendungen für Laser und Detektionsinstrumente realisierbar. In gewisser Hinsicht stellen die Raman-Experimente so das experimentelle Analogon zu den Direkten Numerischen Simulationen dar: Die Qualität und Aussagekraft der Resultate ist höher als bei anderen bekannten Verfahren, der Aufwand jedoch sehr groß und die Anwendbarkeit stark eingeschränkt.

Das Raman-Experiment wird daher gewöhnlich nicht zur Untersuchung technischer Verbrennungssysteme eingesetzt, sondern um Detailinformationen aus Systemen mit genau definierten Randbedingungen zu gewinnen. Diese werden genutzt, um bestehende Rechenmodelle zu überprüfen, neue Rechenmodelle zu entwickeln, und auch, um neue Phänomene bei der Verbrennung zu finden.

   

Raman-Messung an einer turbulenten Flamme (bläulich leuchtend). Die horizontalen grünen Linien sind die Laserstrahlen zur Anregung des Raman-Signals. Die vertikale grüne Linie in der Flamme stammt von Kraftstofftröpfchen, deren Verbrennung in der Flamme mit der Raman-Technik untersucht wird.

Resultat einer Raman-Messung in einer turbulenten Methan/Luft Vormischflamme. Zu sehen ist das Raman-Signal entlang des Laserstrahls (Ortsrichtung von oben nach unten), spektral aufgelöst (Wellenlängenverschiebung des Raman-Streulichts, von links nach rechts). Die spektralen Signaturen einiger chemischer Spezies in der Flamme sind zu sehen. Rot steht in der Farbskala für hohe Intensitäten, und blau für niedrige. Die hellen Bereiche um 1-2 mm zeigen unverbrannte Zonen mit hohen Anteilen von Methan und Sauerstoff, die dunkleren Zonen oben und unten entsprechen verbrannten Zonen (höherer Anteil an Kohlendioxid und Wasser).

 

 

Zweidimensionale Laserdiagnostik

 

Viele laserdiagnostische Techniken sind bildgebende Verfahren, bei denen das Laserlicht nicht in Form eines eindimensionalen Strahles, sondern als planarer Lichtschnitt in das Messvolumen eingestrahlt wird. Das resultierende laserinduzierte Signal bildet einen dünnen, ebenen Bereich im Untersuchungsobjekt ab; dieses bildartige Signal kann mit geeigneten Detektoren (elektronischen Kameras) aufgenommen werden. Auch hier werden typischerweise gepulste Laser benutzt, so dass sehr schnelle Prozesse durch ultrakurze Momentaufnahmen untersucht werden können.

Ein Beispiel für die Anwendung eines solchen bildgebenden Verfahrens stellt die Erforschung der technisch wichtigen Funkenzündung mit laserinduzierter Fluoreszenz (LIF) dar. Ein entsprechendes Experiment am Institut für Technische Thermodynamik besteht aus einer gasgefüllten Zelle (

Abbildung 9), in die durch große Glasfenster Laserlicht eingestrahlt wird und in der das laserinduzierte Signal detektiert werden kann. Die Zelle verfügt über eine Vorrichtung zur Erzeugung genau definierter, reproduzierbarer Zündfunken in der Zellenmitte. Ebenso sind Ventilatoren zur Erzeugung einer genau charakterisierten turbulenten Strömung in die Zelle eingebaut. Hiermit lassen sich technisch unmittelbar bedeutsame Phänomene bei der Funkenzündung, wie z.B. die bekannte Fehlzündung in Ottomotoren, nachbilden und untersuchen.

Die Zündzelle bietet als Versuchsträger gegenüber einem realen Motor vor allem den Vorteil, dass viele Phänomene wie zum Beispiel das Strömungsfeld und die Gemischbildung, die sich im Motor in komplizierter Art und Weise überdecken, isoliert voneinander variiert und untersucht werden können. Die Untersuchung stützt sich oft auf laserdiagnostische Methoden, die eine detaillierte Aufklärung der Struktur und zeitlichen Entwicklung des Zündkerns erlauben. In

Abbildung 9 sind rechts zwei zeitliche Bildsequenzen gezeigt. Die obere Reihe gibt die Lichtemission des Zündkerns aufgrund chemischer Reaktionen (Chemolumineszenz) wieder, die untere Reihe zeigt die zeitgleich gemessene laserinduzierte Fluoreszenz des OH-Radikals. An der Verteilung dieses Radikals (siehe Abschnitt „Chemische Elementarkinetik“) wird deutlich sichtbar, dass das turbulente Strömungsfeld den Zündkern stark verformt; in manchen Bereichen ist eine deutlich verringerte OH-Konzentration am Rand des Kerns sichtbar, was darauf schließen lässt, dass das System hier nahe der Verlöschung ist, also die Verbrennung gewissermaßen von der stark turbulenten Strömung an manchen Stellen „ausgeblasen“ wird. In den Aufnahmen der Chemolumineszenz zeigt sich dieses Phänomen nicht oder weniger deutlich, weil diese Aufnahmen das gesamte entlang der Beobachtungsrichtung emittierte Licht integrieren und die Information so „verwaschen“ wird. Den Chemolumineszenz-Aufnahmen fehlt also die Möglichkeit der gezielten örtlichen Separation eines dünnen Beobachtungsbereiches, wie sie durch die laserbasierten Methoden realisiert wird.

   
Eine mit Glasfenstern ausgestattete Zündzelle zur Untersuchung der Funkenzündung in turbulenten Gasmischungen. Vier Elektromotoren zur Turbulenzgenerierung in der Zelle sind sichtbar. Eine in dieser Zelle aufgenommene Hochgeschwindigkeits-Bildsequenz eines Zündvorgangs in einer turbulenten Strömung.

 

 

 

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