Hierarchische Modellierungskonzepte

Um die oben angesprochenen Probleme der DNS zu lösen, müssen Mo­dellannahmen für die chemische Reaktion, das turbulente Strö­mungs­feld und die Mehr­­phasen­prozesse gemacht werden. Leider über­ver­ein­fachen die heute üblicher­weise in kommerziellen Simulationsprogrammen verwendeten Modelle meist die kom­plexen Prozesse, zum Beispiel bei der Wechselwirkung von chemischer Reaktion mit der Tur­bulenz. Jede Verringerung der Komplexität bei der Modellierung geht mit einem gewissen Verlust an Genauigkeit einher, wie in Abbildung 4 links schematisch dargestellt ist.

Ziel ist es, eine große Modellreduktion bei einem minimalen Verlust an Genauigkeit zu erreichen. Es stellt sich daher Frage, ob die Information aus detaillierten Simulationen nicht zur Verbesserung der Modellannahmen verwendet werden kann. Im Folgenden wird ge­zeigt, wie eine hierarchische Vorgehensweise zur Lösung dieser Pro­ble­­matik ein­ge­setzt werden kann. So lassen sich aus Detailexperimenten und detaillierten Simulationen reduzierte Modelle ableiten, die dann als Submodelle bei der Beschreibung tech­­ni­­scher Verbrennungssysteme eingesetzt werden können. Auf diese Weise ge­hen Infor­ma­tio­nen über die Prozesse auf den kleinsten Zeit- und Längenskalen in die glo­balen Modelle ein.

 

 

Reduktion der chemischen Kinetik

 


Bei der Simulation technischer Verbrennungsprozesse werden aus Rechenzeitgründen üblicherweise reduzierte Reaktionsmechanismen verwendet. Solche reduzierten Reaktionsmechanismen beschreiben die chemische Kinetik in Abhängigkeit von wenigen so genannten Reaktionsfortschrittsvariablen, wobei konsequent die Tatsache ausgenutzt wird, dass schnelle chemische Prozesse zu Korrelationen der Spezieskonzentrationen im Zustandsraum führen.

Der Grund hierfür sind die stark unterschiedlichen Zeitskalen im Reaktionssystem. Während die chemischen Prozesse Zeitskalen im Bereich von ca. 10 Größenordnungen umfassen, ist der Bereich der physikalischen Zeitskalen (Zeitskalen von Turbulenz und molekularem Transport) sehr viel kleiner (siehe Abbildung 4 rechts). Betrachtet man die Dynamik der chemischen Reaktion, so stellt man fest, dass schnelle chemische Prozesse zu einer Relaxation der thermokinetischen Zustände auf niedrigdimensionale Mannigfaltigkeiten führen. Dies ist in Abbildung 5 dargestellt. Es sind verschiedene Trajektorien der chemischen Kinetik für verschiedene Anfangsbedingungen gezeichnet, die nach sehr kurzer Zeit auf eine zweidimensionale Fläche relaxieren, danach auf eine eindimensionale Kurve und schließlich auf den Gleichgewichtspunkt.

 

   
Darstellung der in Simulationen von Verbrennungsprozessen erreichbaren Genauigkeit als Funktion der Komplexität des zugrundeliegenden Modells. Die Komplexität braucht nicht sehr weit gesteigert werden, um der maximalen Genauigkeit (DNS) sehr nahe zu kommen. Die gegenwärtige Entwicklung neuer vereinfachter Modelle spielt sich etwa innerhalb der schraffierten Ellipse ab. Typische Zeitskalen von Verbrennungsprozessen.

Eines der am Institut für Technische Thermodynamik verwendeten Verfahren zur Identifikation der niedrigdimensionalen Mannigfaltigkeiten und damit zur automatischen Reduktion von Reaktionsmechanismen ist die Methode der intrinsischen niedrigdimensionalen Mannigfaltigkeiten („intrinsic low-dimensional manifolds“, ILDM), das in Abbildung 5 schematisch dargestellt ist.

   
Reduktion großer Reaktionsmechanismen mittels der ILDM-Methode, gezeigt am Beispiel der Verbrennung einer Methan/Luft-Mischung. Schnelle chemische Prozesse werden identifiziert und als quasistationär betrachtet. Eine Verifikation der reduzierten Berechnung ist durch Vergleich mit einer detaillierten Berechnung möglich. Kurve: detaillierter Mechanismus, Symbole: reduzierter Mechanismus mit drei Reaktionsfortschrittsvariablen. Gezeigt ist jeweils das Verhältnis der Stoffmenge der Spezies zur Gesamtmasse in mol/kg.

 

Dieses Ver­­fahren identifiziert schnelle chemische Prozesse, die zu lokalen quasistatio­nä­ren Zu­ständen führen und entkoppelt diese, so dass sich das System der Spezies­er­hal­­tungs­­­­­gleichungen auf eine sehr kleine Anzahl von Reaktionsfort­schritts­variablen re­­du­zieren lässt. Mittels des ILDM-Verfahrens können selbst sehr komplexe chemische Reaktions­systeme durch eine geringe Anzahl von Er­hal­tungs­­gleichungen beschrieben werden. Für die Verbrennung z.B. von Dodekan, bei der etwa 1000 chemische Spezies am Reaktions­ge­schehen beteiligt sind, erlaubt im Hoch­­temperaturbereich bereits ein reduziertes System mit 2 bis 3 Fortschrittsvariablen eine hinreichend genaue Beschreibung des Reaktions­prozesses.

 

 

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